Das etwas andere Silvester

Zu Weihnachten war ich seit langer Zeit mal wieder daheim in Hamburg. Endlich konnte ich fast die gesamte Familie und viele Freunde wieder sehen. Lange bin ich aber nicht in Deutschland geblieben, denn über Silvester hatte ich schon etwas in Polen geplant.

 

 

Am einundzwanzigsten Dezember bin ich über Nacht nach Hamburg gefahren. So bin ich gerade noch rechtzeitig zu dem Frühstück mit meiner Schwester und meiner Mutter gekommen, denn sie hatten noch keinen Urlaub. Die Tage in Hamburg waren sehr schön, ich habe mich gefreut, endlich viele bekannte Gesichter wieder zu sehen. Das Weihnachtsfest mit der Familie habe ich vielleicht etwas mehr genossen als die vorherigen Jahre, denn viele Verwandte habe ich lange nicht mehr gesehen. Viele meiner Freunde habe die Feiertage auch in Hamburg verbracht, und so konnten wir uns endlich alle mal wieder sehen. Die Zeit in Deutschland hat also viel Spaß gemacht, trotzdem musste man sich erst einmal wieder an das Land gewöhnen musste. Plötzlich versteht man alle noch so unwichtigen Gespräche in der Bahn, und irgendwie wollte ich die Leute immer auf polnisch begrüßen.

 

 

 

Die erste Zeit in Polen viel dann aber doch nicht so leicht, denn ich hatte hier in meiner Wohnung weniger als zwölf Stunden, bevor es in die Berge ging. Also nur Zeit um kurz zu schlafen und Koffer zu packen, und dann auf zu meiner Mitfahrgelegenheit. Dann haben wir uns im vollgepackten Auto zu viert auf den Weg nach Nowy Gierałtów gemacht. Was, ihr kennt diesen Ort nicht?! Kein Wunder, denn er besteht nur aus einer Straße, und es gibt nicht mal einen Laden. Aber natürlich eine Kirche. Und einen Pfarrer, der dazugehört. Und bei dem haben wir über Silvester gewohnt. Der Pfarrer wurde vor der Abfahrt als ein bisschen verrückt beschrieben, und nach der Reise weiß ich auch warum. Zum einem ist er ein Tierfreund, und hat fünf Hunde und drei Esel. Auf einem der Esel reitet er immer an Palmsonntag durch das Dorf. Des Weiteren ist er wohl auch begeisterter Motorradfahrer, denn in seinem Keller steht ein schickes Rad. Auch hängen im Treppenhaus viele Bilder mit Motorrädern, so auch von einer Hochzeit, wo das Brautpaar auf einem Motorrad fährt. Hoffentlich ist das Kleid nicht zu dreckig geworden. Und zu guter Letzt ist der Pfarrer auch noch ein kreativer Bastler. Er baut sehr viel selber, und seine Wohnung ist neben einem Billardtisch noch mit allerlei Krimskrams geschmückt. Das Beste ist aber ein Auto, was er modifiziert hat. Es erinnert mich ein bisschen an den fahrbaren Untersatz der Ghostbusters, denn auf dem Dach hat es ein Licht, mit verschiedenen christlichen Symbolen. Am witzigsten ist aber der Darth Vader Kopf auf dem Kofferraum, der Geräusche macht, wenn man Geld einwirft. So, jetzt aber zum eigentlichen Thema, warum, und mit wem war ich jetzt eigentlich in den Bergen?

 

 

 

Unsere Mentorin hatte Lukas und mich dazu eingeladen, über die letzten Monate ein kleines Theaterstück einzuüben. Mit dabei sind alle möglichen Leute, von Anwälten bis zu Regisseuren. Insgesamt waren wir um die zehn Leute. Das Stück, was aufgeführt werden sollte, war eine Weihnachtsgeschichte, und wohl traditionell polnisch. Es kamen allerdings weder Jesus noch seine Eltern vor, sondern nur Herodes, ein Jude, Engel und Teufel, eine Ziege, ein Kranich und Turon. Der Turon ist ein bisonähnliches Tier, dass früher in Polen gelebt hat, mittlerweile jedoch ausgestorben ist. Um ihn ranken sich viele Legenden, doch ist er eigentlich immer der Böse. Das war meine Rolle, aber natürlich nur, weil der Gute keinen Text hatte. Nach dem wir nun ungefähr zwei Monate dieses Stück geübt hatten, wollten wir es in den Bergen das erste Mal aufführen. Während zwei Tagen sind wir also von Haus zu Haus gegangen, und haben gesungen, getanzt und aufgeführt. Die Gruppe macht das allerdings auch nicht zum ersten Mal, sondern bereits seit fünf Jahren. Die Schauspieler sind jedes Jahr jedoch etwas anders. Das Dorf ist über Silvester aber immer das gleiche geblieben, und mittlerweile ist die Gruppe etwas bekannter. Im Januar wird dieses Stück übrigens auch in verschiedenen anderen Orten, wie der Arche Wohngemeinschaft oder Krankenhäusern aufgeführt. Jetzt aber erst mal zurück nach Nowy Gierałtów. Während am ersten Vormittag noch etwas geprobt wurde, ging es am Nachmittag schon direkt los. Doch wie reist man mit einer so großen Gruppe in einem kleinen polnischen Dorf? Genau, natürlich auf einem alten, löchrigen Anhänger, gezogen von einem Traktor. Aber diesen Service hatten wir nur für die ersten beiden Stationen, dann sind wir zu Fuß weiter gezogen. Unsere erste Station war eine Herberge, und dieser erste Auftritt hat mich etwas verwirrt, weil ich nicht so viel verstehe, und es etwas anders ablief als geplant. Doch ab da wurde es immer besser, denn vor allem sind wir in kleine Häuser gegangen und haben die Leute in ihren Wohnzimmern überrascht. Das war immer sehr persönlich, denn wir standen dann mitten in dem Haus einer Fremden Familie, und man hat sehr viele Einblicke in ihr Leben bekommen. Alle haben sich immer sehr gefreut, und vor allem, wenn sie nicht mit uns gerechnet haben war es sehr rührend. Manchmal hatte ich zwar das Gefühl, wir haben alle Teppiche in diesem Haus zerstört, denn unsere Große Gruppe hat sich einfach in die kleinsten Räume gezwängt, und dann natürlich mit den dreckigen, etwas verschneiten Schuhen. Doch die Leute waren immer sehr lieb, haben uns etwas zu essen, und natürlich auch etwas alkoholisches zu Trinken, angeboten. Während unserer Auftritte ist mir sehr der Unterschied zwischen alteingesessenen Bewohnern und den neu zugezogenen aufgefallen. Die älteren Bewohner haben nicht viel Geld, sind eher arm, und haben noch ihre alten Häuser. Die jungen Familien, die hingegen vermutlich aus der Stadt hierher gezogen sind, haben sich hier ihr Eigenheim im Grünen verwirklicht und haben nicht so viele Geldprobleme. Nett aufgenommen wurden wir aber überall, doch die älteren Menschen waren am meisten gerührt. Viele von ihnen lebten mittlerweile schon allein, und sind sehr glücklich, wenn man sich für sie Zeit nimmt. Auch eine deutsche Frau haben wir besucht. Sie hat das Dorf nach dem zweiten Weltkrieg nicht verlassen, und lebt seitdem in Polen. Da sie vermutlich lange kein Deutsch mehr gesprochen hat, war es sehr interessant ihr zu zuhören. Ihr Sprache war noch aus einer anderen Zeit.

 

 

 

An Silvester haben wir nach einer mittaglichen Wanderung am Nachmittag unsere Tour fortgesetzt, statt mit Traktor jetzt mit Fackeln. Unser letzter Auftritt war an diesem Tag in der dritten Herberge auf unserem Weg. Danach wurde wir hier mit Bigos, einem traditionellen polnischen Gericht, und verschiedenen anderen Speisen belohnt. Um Mitternacht sind wir zu unserer Unterkunft zurück gegangen, denn der Pfarrer hat dort eine Heilige Messe veranstaltet. Danach haben wir noch sehr lange polnische Weihnachtslieder gesungen, von denen ich immer noch einen Ohrwurm habe. Das singen brachte sehr viel Spaß, denn mit dem Liederbuch konnte ich auch sehr gut mithalten. Und die polnischen Lieder sind, zumindest von uns gesungen, etwas peppiger als die Deutschen. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass man zu deutschen Weihnachtslieder wirklich gut tanzen kann. Am ersten Januar ging es um zwölf wieder in die Messe, wo wir sie mit unsrem Gesang etwas aufgewertet haben. Nach dem Gottesdienst hat der Pfarrer in der Kirche noch seinen selbstgemachten Alkohol, wie z.B. Eierlikör, versteigert, denn man natürlich auch probieren konnte. Im Laufe des Tages sind wir dann wieder zurück nach Breslau gefahren, und mittlerweile habe ich schon die ersten Arbeitstage hinter mir.

 

 

 

P.S.: Ich habe übrigens viele Auftritte gefilmt, vielleicht kriegt ihr davon bald etwas zu sehen. Und ich hoffe, ich kann meinen Vorsatz, mehr auf dem Blog zu schreiben, etwas länger durch ziehen als letztes Jahr.

 

 

 

Bis dann,

 

 

 

Euer Leopoland

 

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